3 Fragen an Laurenz Berges und Andreas Gefeller (2023)
Cornelius: Warum habt Ihr das Medium Fotografie gewählt?
Andreas: Ich kann nicht wirklich behaupten, Fotografie als Medium „gewählt“ zu haben. Vielmehr war es so, dass ich als Kind zur Fotografie kam, weil ich mich für Astronomie interessierte und begann, die Sterne zu fotografieren. Was mich damals besonders beeindruckte, war, dass man auf den Bildern mehr Sterne sehen konnte als mit dem bloßen Auge oder dem Teleskop. Ich hab schon immer gerne Bilder gemacht; bevor die Fotografie zu mir kam, hatte ich viel gezeichnet, jetzt löste die Kamera die Stifte als Werkzeug ab. Im Rückblick wird mir bewusst, dass die Fähigkeit der Fotografie, Dinge sichtbar zu machen, eine besondere Faszination in mir auslöste, die auch meine Diplomarbeit Soma bestimmte – 15 Jahre nach meinen ersten ernst gemeinten Fotos mit 15 Jahren.
Auch heute noch sind das Spiel mit der Wahrheit und was die Fotografie in der Lage ist abzubilden wichtige Aspekte in meinen Arbeiten. Obwohl inzwischen jedem klar geworden ist, dass einem Foto nur bedingt zu trauen ist, haftet dem Medium immer noch an, die Realität abzubilden, und es wird nach wie vor als Beleg von Wahrheit gesehen, als Beweis eines Ereignisses – und das in Zeiten von Photoshop, KI und trotz zig Beispielen im bildjournalistischen Bereich, wo erwiesenermaßen Bilder digital manipuliert wurden. Mich fasziniert gerade dieser Graubereich zwischen technisch unbearbeiteten Fotografien, die vermeintlich „echt“ sind und anderen, die Prozesse der digitalen Verarbeitung durchlaufen haben. Wo beginnt die Manipulation, wo legt der Fotografierende – wortwörtlich – Hand an? Das Festlegen des Ausschnitts und somit das bewusste Weglassen der Umgebung: Ist das schon eine Irreführung der Betrachtenden? Kontrast und Weißabgleich: Sind diese Einstellungen noch übliche Bestandteile des fotografischen Entstehungsvorgangs? Ab welchem Grad der Veränderung gegebenenfalls nicht mehr? Ist das Zusammensetzen von Bildern grundsätzlich eine Verschiebung von Zusammenhängen oder im Gegenteil dokumentarisches Sichtbarmachen? Die Übergänge sind fließend, und in diesen Bereichen bewege ich mich und irritiere mit meinen Bildern, die ganz offensichtlich ihren Ursprung in der Realität haben, gleichzeitig aber auch immer Sehfallen bereitstellen, in die die Betrachtenden geraten. Traue nie Deinen eigenen Augen, traue nie dem, was Du in den Medien siehst. Traue nie meinen Bildern!
Laurenz: Ich bin so langsam in die Fotografie sozusagen hineingewachsen, nachdem ich als 13 oder 14 Jähriger eine Kamera geschenkt bekommen habe. Es hat mir seitdem einfach Spass gemacht und mich nicht mehr losgelassen. Ich begann mich mit meinem persönlichen Umfeld und dem, was ich gesehen und erlebt habe, mit den Mitteln der Fotografie festzuhalten . Völlig unvoreingenommen und spielerisch habe ich die Möglichkeiten ausprobiert. Nach und nach bin ich tiefer eingestiegen, über Zeitschriften, Bücher und die sehr wenigen Ausstellungen damals, in denen Fotografie eine Rolle spielte. Es gab einen gewissen Standort - Nachteil, da ich aus einer Kleinstadt in der Norddeutschen Provinz stamme und die Möglichkeiten sich zu informieren recht begrenzt waren. Alles eben ausschließlich analog.... Eine Dunkelkammer für Schwarzweiss habe ich mir eingerichtet und das eine oder andere selber beigebracht. Am Ende der Schulzeit stand aber mein Wunsch fest Fotograf zu werden.
Cornelius: Anders als beim Großteil der täglich produzierten Bilder in der Welt stehen Menschen bei Euch nicht im Mittelpunkt (ich vor der Mona Lisa etc.). In Euren Bildern gibt es zum großen Teil keine Akteure, Nabelschauen, Spiegeleien zu sehen. Ist der Platz für uns frei? Werden wir selbst als Betrachter:innen Teil Eurer Arbeiten?“
Andreas: Ja und nein. Ich denke, bei der Beantwortung Deiner Frage muss man zwischen meinen Serien differenzieren. Gerade die früheren Serien bilden urbane Räume ab. Öffentliche Plätze, Architektur, Stadtansichten – Orte, die für Menschenmassen geschaffen wurden, in meinen Bildern aber komplett verwaist sind. Klar bietet es sich da an, sich in die Bilder reinzudenken und ein Teil davon zu werden. Die Räume wirken wie Kulissen, wie Bühnen, auf denen gleich das Theaterstück aufgeführt wird, oder – beunruhigender – die Geschichte bereits erzählt wurde, was zu der Frage führt, was mit den Menschen passiert ist und warum das Leben abhanden gekommen ist. Diese Fotoarbeiten werfen einen Blick auf die Welt NACH der Zivilisation und relativieren unter kosmischen Maßstäben die Bedeutung des Menschen: Zuerst verschwinden die Menschen selbst (wie in der Serie Soma), dann auch seine Hinterlassenschaften (wie sich bei Blank ganze Städte in Licht auflösen).
Die jüngeren Serien zeigen nicht nur keine Menschen, sondern kommen auch ohne Abbildungen ihrer technischen Errungenschaften aus, um dennoch etwas über sie zu erzählen. In The Other Side of Light mache ich Bilder, die zwar in der Natur (sofern es sie noch gibt) entstanden sind, in ihrer Abstraktion aber künstlich und menschengemacht erscheinen und so zu Illustrationen für moderne Phänomene werden, mit denen wir täglich zu tun haben, für die es aber keine Bilder gibt: Wie sehen soziale Netzwerke aus, die Cloud, das Internet, KI? Erstaunlich schnell hat sich der Mensch damit abgefunden, dass sein Leben bestimmt wird von unsichtbaren Vorgängen, die verborgen hinter dem Screen des Computers stattfinden und an Komplexität unvorstellbare und kaum noch kontrollierbare Dimensionen angenommen haben. So wird der Reflex einer Straßenleuchte, die sich im Wasser eines Teichs spiegelt, zu einer abstrakten Struktur vermeintlich digitalen Ursprungs, die einen Code zu enthalten scheint, den der Mensch nie in der Lage sein wird zu entschlüsseln. Die Betrachtenden des Bildes glauben, einem Computer beim Denken zuzuschauen, und bleiben dabei immer außen vor. Der Mensch als Erfinder eines weltumspannenden, alles durchsetzenden algorithmischen Systems ist Schöpfer und Opfer zugleich.
Laurenz: Es stimmt, in meiner Arbeit ist der Mensch nicht unmittelbar das Thema, aber das was es auf den Bildern zu sehen gibt, ist von Menschen gemacht und zeigt das Umfeld in dem Menschen leben oder gelebt haben und wie sie sich einrichten. Ein Person im Bild, sei sie noch so klein, ist sehr bildbestimmend und die Augen wandern und umkreisen die Darstellung des Menschen. Dazu gibt es regelrechte Studien. Das möchte ich vermeiden, damit der Betrachter meiner Fotografien animiert wird, alle Teile des Bildes anzuschauen und Platz hat für seine eigene Imagination.
Cornelius: Was kommt in Deiner Kunst als Nächstes, wo geht es für Dich hin?
Andreas: Meine früheren Serien waren sehr konkret an ein vorher festgelegtes formales Konzept gebunden. Ich habe bildlich gesprochen Gefäße bereit gestellt, die ich im Laufe des Arbeitsprozesses mit Bildern gefüllt habe. Dabei konnte ich gut abschätzen, dass mich die Arbeit Monate oder Jahre beschäftigen würde, bis alle mir wichtigen Aspekte abgearbeitet waren und die Geschichte zu Ende erzählt war. Meine aktuelle Serie The Other Side of Light gibt mir hingegen viel mehr Freiraum und ich kreiere Bilder, die sich technisch stark von einander unterscheiden. Ich spüre aber, wie sich mein Interesse dahingehend ändert, dass ich nicht nur vorgefundene Situationen fotografiere, sondern immer öfter in das Motiv eingreife oder es sogar ganz inszeniere (wie bei meinen Serien Dust und Flames). Ich plane in der näheren Zukunft Bilder zu machen, die komplett im Studio entstehen. Und dabei der Grundidee entsprechen, ein Gefühl für die Unübersichtlichkeit der digitalen Welt zu vermitteln auf der Schwelle zwischen Erkenntnis und Chaos.
Das ist das Schöne an der Kunst: Ich muss keinem 5-Jahres-Plan folgen, sondern Zufälle und Inspirationen, die einerseits von außen kommen, andererseits aus mir heraus, beeinflussen die Richtung, in die es geht. Die Arbeiten sind evolutionär: Sie basieren aufeinander, sie variieren, gebären neue Ideen, lassen neue Zweige entstehen, die erst parallel verlaufen, sich dann auseinander bewegen, manche enden, andere treiben neu aus – alles ist im Fluss und ich habe keine Ahnung, was hinter der nächsten Biegung kommt.
Laurenz: Tja, wo geht es hin mit der Arbeit ? Das ist nachdem ich ja ein längeres Projekt vor nicht allzulanger Zeit abgeschlossen habe und viel Zeit mit den Vorbereitungen zum Buch und Ausstellungen verbracht habe nicht einfach zu beantworten. Ich habe aber parallel zur letzten Arbeit immer wieder in Norddeutschland gearbeitet und knüpfe daran an. Meine Arbeit entwickelt sich quasi langsam und hat immer auch Bezüge zu dem was ich vorher gemacht habe, soll eine Art Weiterentwicklung werden. Ich beschäftige mich mit den verschiedensten Sujets zur Zeit und versuche mich an einer Art atmosphärischen - erzählerischen Beschreibung der Landschaft in der ich aufgewachsen bin. Tageszeiten, Licht und verschiedene äußere Einflüsse spielen eine größere Rolle als in den vorangegangenen Serien. Dabei folge ich keinem System oder Konzept, sondern arbeite bei meinen Fahrten durch die Region aus der Intuition und sammle so Bilder.
Da ich immer über mehrere Jahre an meinen Themen arbeite, folgt dem Ausarbeiten der Bilder in meiner Dunkelkammer auch ein andauernder Auswahlprozess, bevor ich mich wieder auf den Weg mache, um neue Bilder zu machen.
Cornelius: Vielen Dank Euch beiden!
(Ein Email-Interview im November 2023.)